‘Oumuamua vom Exo-Pluto lässt grüßen

Im Jahr 1995 wurde unser Sonnensystem vom ersten, jemals entdeckten interstellaren Objekt besucht, aber wir bemerkten das erst 2017. Weder Asteroid noch Komet, noch außerirdische Raumsonde, war der ‘Oumuamua benannte Himmelskörper wahrscheinlich Teil eines plutoähnlichen Planeten, der gewaltsam auf die Reise geschickt wurde. 2040 wird ‘Oumuamua uns wieder verlassen.

Mysteriöses Flugverhalten

‘Oumuamua, neutrisch, ist Hawaiianisch für „Kundschafter“. Das Bruchstück eines zweiten Pluto hatte bei seiner Entdeckung 315.431 km/h „auf dem Tacho“. Als es sich wieder von der Sonne entfernte, beschleunigte es ohne erkennbare Ursache und veränderte seine Flugrichtung. Kometen beschleunigen, weil Gase entweichen und so für einen natürlichen Antrieb sorgen. Das war hier aber nicht zu erkennen. UFO-Spekulationen sprossen wie Gänseblümchen im April.

Nun meinen die Astrophysiker Steven Desch und Alan Jackson von der Arizona State University, dass die Sublimation (Übergang vom festen zum gasförmigen Zustand, wie Wassereis zu Dampf) von gefrorenem, festem Stickstoff genau das beobachtete Flugverhalten von ‘Oumuamua erklärt. Entweichender Stickstoff in Form kleiner Teilchen und als Gas kann das beobachtete Beschleunigungs- und Kursverhalten verursacht haben.

Ein bisschen Schwund ist immer

Ihre Berechnungen ergaben, dass seine Oberfläche und Zusammensetzung genau denen des Kleinplaneten Pluto und des Neptunmondes Triton gleiche. Vor etwa 400-500 Millionen Jahren könnte ein Einschlag auf einem fernen Pluto-Zwilling das Fragment aus seinem Heimatsystem irgendwo im Arm des Sternbildes Perseus gesprengt haben. Mit der Zeit verursachten kosmische Strahlen, dass immer mehr Stickstoff entwich. Dadurch bekam es seine abgeflachte Form, wie ein benutztes Stück Seife.

Der hohe Reflektionsgrad einer gefrorenen Stickstoff-Oberfläche lässt ferne Objekte größer erscheinen als sie sind. ‘Oumuamua wurde bisher auf 400-800 m in der längsten Ausdehnung geschätzt. Das soll zehnmal weniger sein. Und es schrumpft. Am Ende wird sich ‘Oumuamua auf seiner Reise einfach auflösen. Strahlungen aller Art führen zu ständigen Masseverlusten.

Ursprünglich könnte es 92 x 91 x 54 m gemessen und wie eine dicke Kartoffel ausgesehen haben. Beim Eintritt ins Sonnensystem dürfte es 72 x 71 x 34 m groß gewesen sein und kompakt seifenförmig. Bei seiner größten Sonnenannäherung war es nur noch ein dicker US-amerikanischer Pancake, 58 x 56 x 20 m groß. Zwei Monate später maß es 45 x 44 x 7,5 m, schon eher ein deutscher Pfannkuchen. Beim Abschied aus dem Sonnensystem in Richtung Sternbild Pegasus wird es schätzungsweise noch 43 x 41 x 4,9 m groß sein, gerade mal nur ein Crêpe. Offenbar sind 45 Jahre Sonnensystem so schweißtreibend wie 400 Millionen Jahre interstellarer Raum.

Abschied

Eine gute Erklärung für zufällige Beschleunigung und willkürliche Kursänderung, und ein für ein außerirdisches Raumfahrzeug unplausibler Masseverlust müssten nüchtern betrachtet das Ende der technologischen ‘Oumuamua-Spekulationen bedeuten. Ohnehin wurden von ihm auch keinerlei Signale aufgezeichnet, so dass kein mysteriöser Anhaltspunkt mehr die Raumsonden-Hypothese bleibt.

Eine Kunde aus den Weiten des Alls können wir dennoch annehmen. Die Scholle eines Exo-Pluto gemahnt an ein Memento mori, letztlich ist alles vergänglich. Gute Reise, ‘Oumuamua, auf Deinem Weg von Perseus zu Pegasus!

Quellen

Update, 26.03.2023: Das Rätsel um Oumuamua ist gelöst. Austretendes Wasserstoffgas – ohne Sublimation – hat ihn beschleunigt, ohne dass sich dabei ein Koma oder Schweif gebildet hat.